von Lasso » Sonntag 26. Dezember 2004, 22:02
Stand der Dinge - für alle die's interessiert:
Staatskonzern greift sich frühere Yukos-Tochter
Es ist eine russische Groteske um Macht und Öl: Mit einem Finanztrick hat der Kreml den am Wochenende versteigerten Ölförderbetrieb Juganskneftegas unter seine Kontrolle gebracht.
Staatsfirma übernimmt Baikalfinanz
Beobachter hatten bereits vermutet, dass der Kreml eine Wiederverstaatlichung der Förderfirma Jugansk anstrebte. Eher überraschend aber ist, wie schnell jetzt alles ging: Nachdem am Sonntag noch die völlig unbekannte Firma Baikalfinanz für sieben Milliarden Dollar bei einer staatlich orchestrierten Zwangsversteigerung in Moskau auftrat und Juganskneftegas kaufte, ist nun Baikal seinerseits übernommen worden. Das Verschiebespielchen macht deutlich, dass Baikal - ohne Büros, ohne Website, ohne Telefonnummer - in der Tat nicht mehr war als eine Tarnfirma.
Juganskneftegas in staatlicher Hand
Neuer Besitzer von Juganskneftegas ist Rosneft - die einzige russische Ölfirma von Rang, die nicht von privaten Investoren kontrolliert wird, sondern vom Staat. Ein Sprecher Rosnefts teilte die Übernahme nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen spät am Mittwoch mit. Die Kaufsumme nannte der Sprecher nicht.
Rosneft wird größer
Rosneft war bisher nur die Nummer sieben unter den russischen Ölbetrieben, während Yukos, zuletzt von einem Amerikaner gemanagt, zusammen mit dem Konkurrenten Lukoil bei der Fördermenge an der Spitze lag. Rosneft macht durch die Übernahme von Jugansk in der Rangliste nun einen kräftigen Sprung nach vorne. Immerhin war Jugansk, mit Förderstätten vor allem in Westsibirien, für 60 Prozent der Yukos-Förderung verantwortlich. Jugansk liefert damit elf Prozent des Rohöls, das in Russland gefördert wird. Rosneft allein kam nur auf gut vier Prozent.
Yukos orientierte sich an westlichen Standard
Rosneft gab bekannt, man wolle mit der Übernahme den Umbau des Konzerns zum "ausgewogenen nationalen Energiekonzern" weiterführen. Man beabsichtige, die Förderstätten von Jugansk weiter zu entwickeln. Ihr Zustand hatte sich zuletzt verschlechtert, weil Yukos angesichts des Machtkampfes nicht mehr bereit und in der Lage war, genügend in die Erhaltung zu investieren. Yukos galt als vorbildlich gemanagt und mühte sich, die Anforderungen westlicher Kapitalmärkte zu erfüllen, während Rosneft relativ ineffizient arbeitet. Westliche Beobachter fürchten seit langem, dass die Energiewirtschaft in Russland angesichts immer neuer staatlicher Eingriffe in ihre alte Ineffizienz zurückfällt.
Re-Verstaatlichung: Nach dem Gas auch das Öl
Der Kreml ist direkt personell mit Rosneft verwoben. Aufsichtsratschef des Unternehmens ist Igor Setschin, Vize-Chef der Kremlverwaltung. Dem Kreml ist es so nun gelungen, neben der Gaswirtschaft auch einen wichtigen Teil der Ölindustrie zurück in staatliche Kontrolle zu überführen. Der Gasmarkt wird vom Monopolisten Gasprom beherrscht, an dem der Staat offiziell nur eine Sperrminderheit hält. Über verschiedene staatlich kontrollierte Holdings kommt er aber inzwischen wieder auf mehr als 50 Prozent der Anteile. Pikanterweise besitzt auch die deutsche E.ON 6,5 Prozent an Gasprom.
Rosneft mit Gasprom verstrickt
Rosneft wiederum ist auf undurchsichtige Weise mit Gasprom verstrickt. Im Herbst wurde bekannt gegeben, Gasprom und Rosneft sollten fusionieren. Ob dieses Vorhaben tatsächlich durchgeführt wird, war zuletzt wieder unklar. Gasprom hatte in den vergangenen Tagen bekannt gegeben, das Ölgeschäft wieder abgeben zu wollen, das der Konzern gerade erst aufgebaut hatte.
Banken frieren Kredite für Gasprom ein
Gasprom seinerseits war zunächst als Käufer von Jugansk favorisiert worden. Nachdem ein US-Konkursgericht die Zwangsversteigerung mit einer einstweiligen Verfügung zu stoppen versucht hatte, hatten westliche Banken - darunter die Deutsche Bank und Dresdner Kleinwort Wasserstein - aber eine Milliarden-Kreditlinie für Gasprom eingefroren.
Yukos-Chef sitzt in Haft
Der Yukos-Konzern, nach der Zwangsversteigerung faktisch zerschlagen, gehört größtenteils immer noch der Menatep-Gruppe des Milliardärs Michail Chodorkowski. Dieser sitzt seit Oktober 2003 im Gefängnis - die russischen Autoritäten werfen ihm unter anderem Steuerhinterziehung und Betrug vor. Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin unterstellen diesem, das Vorgehen gegen Chodorkowski sei politisch motiviert.
Putin gegen ausländischen Einfluss der Energieindustrie
So habe der Unternehmer durch Unterstützung der Opposition und angebliche eigene Ambitionen auf das Präsidentenamt den Zorn des Kreml-Herren auf sich gezogen. Chodorkowski hatte zudem mit dem in Texas ansässigen US-Ölmulti ExxonMobil verhandelt, der sich an Yukos beteiligen wollte - auch dies muss den Widerwillen Putins erregt haben, der ausländischen Einfluss auf die strategisch wichtige Energieindustrie nicht tolerieren will.
Quelle: T-Online Wirtschaft News
Ciao, Lasso